Albrecht Stuby könnte viel von Vergangenem erzählen. Vom Ophüls-Filmfestival etwa, dessen Erfinder er ist.
Oder von seiner Zeit als Leiter des Saarbrücker Filmhauses. SR-online sprach mit ihm – wenige Tage vor seiner Verabschiedung – über die Zukunft.
SR-online: Herr Stuby, möchten Sie lieber über die Vergangenheit oder die Zukunft sprechen?
Albrecht Stuby: Oh, in beiden Richtungen gibt es so viel zu erzählen. Schwierig. Entscheiden Sie.
SR-online: Dann lassen Sie uns über die Zukunft sprechen. Zunächst über ihre persönliche. Haben Sie schon eine Idee, was Sie mit der ganzen Zeit, die Ihnen in Kürze zur Verfügung steht, anfangen werden? Gemütliche DVD-Abende im heimischen Wohnzimmer?
Stuby: (lacht) Auch das, natürlich. Aus meiner Zeit als Leiter des Filmhauses habe ich natürlich jede Menge Filme, die ich schon immer sehen wollte, aber nie dazu kam. Genauso geht es mir mit Büchern, die sich im Laufe der Jahre angehäuft haben. Das Dritte: Ich habe Rückenprobleme. Da muss ich in Zukunft mehr Fitness machen. Das braucht auch viel Zeit.
Dann wäre da noch ein Umzug. Mein Lebenspartner kommt von Mannheim nach Saarbrücken. Und wenn das alles vorbei ist – etwa in sechs Monaten – dann mache ich mir mal Gedanken, noch etwas Sinnvolles zu machen.
SR-online: Zur Zukunft des deutschen Films. In einem Interview, das schon einige Jahre zurückliegt, haben Sie dem deutschen Film Hoffnungslosigkeit bescheinigt.
Stuby: Das war mit Sicherheit eine zu extreme Meinung, eine sehr impulsive Antwort.
SR-online: Zumal die deutschen Filmtheater 2009 so viele Besucher gezählt haben wie seit fünf Jahren nicht.
Stuby: Das stimmt. Die Besucherzahlen sind nach oben gegangen. Allerdings weniger in anspruchsvollen Filmen, sondern eher im kommerziellen Film, also Til Schweiger und Co.
SR-online: Der Boom hat also weniger mit Qualität zu tun?
Stuby: Ich würde sagen, die deutsche Filmindustrie hat sich angepasst, hat von Hollywood abgeschaut und ist heute durchaus in der Lage, Blockbuster zu produzieren. Nun ist es die Frage, ob man diese Blockbuster sehr ernst nehmen soll oder ob das alles eher ein bisschen wie Jahrmarkt ist.
Andererseits ist es für eine funktionierende Filmindustrie wichtig, Blockbuster hervorzubringen. Denn nur in deren Schatten gedeihen auch die anspruchsvollen kleinen Filme, die dann auf den Festivals vorgestellt werden und Chancen haben, international gesehen zu werden. Die Filme von Til Schweiger sind ja eher für den deutschen Markt gemacht.
SR-online: Nun gibt es die hohen Besucherzahlen auf der einen aber auch zahlreiche Kino-Schließungen – insbesondere von kommunalen Häusern - auf der anderen Seite. Liegt die Zukunft des deutschen Films ausschließlich in den Multiplex- und 3D-Kinos?
Stuby: Die Zukunft der großen Industriefilme liegt selbstverständlich da. Da gehen die jungen Leute nun mal hin und wollen eher Popcorn-Kino sehen. Das ist nun mal so. Es geht in diesen Filmen weniger darum, ernste Probleme dieser Welt zu erörtern. Das ist eher in den kommunalen und Arthouse-Kinos der Fall. Wobei man da kritisch anmerken muss, dass auch dort das Niveau ein wenig nach unten geht. Alle wollen sich dem Publikumsgeschmack anbiedern.
SR-online: Hat der anspruchsvolle deutsche Film überhaupt eine Zukunft? Oder stirbt dem Arthouse-Kino das Klientel weg?
Stuby: Da sprechen Sie eine sehr pikante Frage an. In Fachkreisen wird diese Problematik heftig diskutiert. Ich würde die Frage mit ja beantworten. Man kann wirklich beobachten, dass wir in den Arthouse-Kinos ein sehr viel älteres Publikum haben als noch vor 20 oder 30 Jahren. Dieses Publikum, das damals in die Kinos kam, kommt auch heute noch. Nur die jungen Leute, die kommen nicht.
SR-online: Haben Sie sich als langjähriger Leiter des Filmhauses dieser Entwicklung angepasst? Haben Sie versucht, die Jugend mit Pokporn-Kino zu locken?
Stuby: Ich habe mich dieser Entwicklung nicht sehr angepasst. Die Notwendigkeit hat auch nicht bestanden, wir hatten ja keine Besucherverluste. Denn wir haben festgestellt, dass das ins Alter geratene Publikum öfter ins Kino gekommen ist. Trotz allem finde ich es sehr schade, dass wir den Kontakt zur Jugend nicht haben.
Andererseits will ich von meinem Niveau her ja auch nicht diesen Publikumsgeschmack bedienen. Das ist schon eine Gratwanderung. Man hat immer noch die Hoffnung, dass noch eine Änderung eintritt. Aber es kann auch sein, dass die jungen Leute sich dem Mainstream-Kino so sehr angepasst haben, dass sie was anderes – also Kino zum Denken – gar nicht mehr wollen.
SR-online: Das Fast-Food-Phänomen?
Stuby: Absolut. Wer jahrelang Pockorn-Kino und Blockbuster sieht, wird immer dabei bleiben. Und wenn das heutige, in die Jahre gekommene Publikum einmal ganz alt wird und nicht mehr ins Kino kommt, besteht die Gefahr, dass das Arthouse-Kino abstirbt. Man muss also verstärkt versuchen, die jungen Leute zu gewinnen. Es gibt ja Ansätze. Die Schulkinowochen versuchen, die Schüler mit anspruchsvollem Kino in Berührung zu bringen. Die Hoffnung bleibt, dass sie diese Filme später auch noch sehen wollen.
SR-online: Herr Stuby, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Kai Forst
Datum: Montag, 22.02.2010
Seit den 70er Jahren prägte
Albrecht Stuby die Kino-
landschaft im Saarland.
"Die jungen Leute wollen Popcorn-Kino"
Seit den 70er Jahren prägte Albrecht Stuby die
saarländische Kinoszene.
1
2
3
4
5
6
Albrecht Stuby tritt in den Ruhestand
Filmhaus Event 13 Teil I (Eröffnungsfilm in fünf Teilen)
Filmhaus Event 13 Teil II (Eröffnungsfilm in fünf Teilen)
Filmhaus Event 13 Teil III (Eröffnungsfilm in fünf Teilen)
Filmhaus Event 13 Teil IV (Eröffnungsfilm in fünf Teilen)
Filmhaus Event 13 Teil V (Eröffnungsfilm in fünf Teilen)
Filmhaus Event 13 Teil VI (Ankunft der Gäste)
Filmhaus Event 13 Teil VII (MOP sagt „Tschüss“; Schrader/Bandel)
Filmhaus Event 13 Teil VIII (OB Britz verabschiedet A. Stuby)
Filmhaus Event 13 Teil IX (Interviews mit Gästen)
Filmhaus Event 13 Teil X (in Arbeit)
Filmhaus Event 13 Teil XI (in Arbeit)
Filmhaus Event 13 Teil XII (in Arbeit)
Filmhaus Event 13 Teil XIII (Empfang nach der Verabschiedung)
Filmhaus Event 13 Teil XIV (Empfang nach der Verabschiedung)
Zu diesem Thema finden Sie bei YouTube folgende kurze Videos:
7
8
Blickpunkt: Film 8/2010